Der Tag begann mit unserem morgendlichen Vorhaben sich den weniger als eine halbe Stunde von unserem Hostel entfernten Durbar Square, dem in der Altstadt gelegenen religiösen Mittelpunkt Kathmandus, der beim Erdbeben große Schäden erlitten hat, anzuschauen. Aber wir sind niemals bis dahin gekommen… Alles hat sich ganz anders entwickelt… Auf dem weg dorthin sprach uns ein junger Nepalese in seinen mittzwanzigern an. Zunächst waren wir etwas reserviert, da sobald man in Kathmandu mit Einheimischen in Kontakt kommt, sie einem sofort was verkaufen wollen und dabei auch ziemlich penetrant sein können . Der Nepalese, Sunny mit Namen, versicherte uns er wolle nur sein Englisch ein bisschen üben. Er war sehr nett und begleitete uns eine Weile mit interessanten Gesprächen. Er erklärte uns, dass dies ein ganz besonderer Tag für die religiösen Buddhisten Kathmandus sei….Ein religiöser Feiertag. .. An kleinen Tempeln vorbei kommend führte er uns ein bisschen ein in die typischen zeremoniellen Abläufe und klärte uns ein bisschen mehr über Buddhismus und Kharma auf. Weil der Nachmittag mit ihm wirklich sehr nett war (und er immer wieder von sich aus betonte er würde kein Geld für so etwas nehmen wollen, sondern ausschließlich sein Englisch üben… Ansonsten wäre es auch schlechtes Kharma) , wollten wir ihn zum Essen einladen. Aber er wollte uns gern noch den größten buddhistischen Tempel der Stadt zeigen und sagte uns dann, er könne uns zeigen, wie er lebt und uns mit seiner Frau und seinen Kindern bekannt machen. Er wirkte so glücklich als er von Ihnen berichtete und lud uns sogar zum Essen bei sich zu Hause ein. Warum nicht, dachten wir, denn Sunny war sehr sympathisch und was wir uns auf unseren Reisen vorgenommen hatten, war in Kontakt mit den Einheimischen zu kommen. Also ging unsere “Stadtführung” mit ihm weiter, an zerstörten Klöstern und einer Kunstschule vorbei, wo Studenten monatelang an Mantras herummalen, wir konnten Ihnen sogar kurz zuschauen. Danach ging es zu Sunnys Familie, in ein kleines Slum-Gebiet. Die Häuser waren aus Wellblech, Bambus und Planen zusammengeschustert. Sunny wohnte mit seiner Frau und seinen beiden Söhne (1 und 3) in einem dieser Häuser. Zu viert teilten sie sich einen einzigen etwa 12quadratmeter großen Raum, mit einem Bett und einer kleinen Kochnische. Seine Frau und die Kinder waren sehr freundlich und wir lachten viel… Dann kochte Sunnys Frau ein leckeres, aber einfaches Dhal bat (Reis mit Linsen). Wir bedankten uns für die Gastfreundschaft und boten Sunny an mit ihm ein paar Nahrungsmittel für seine Familie einkaufen zu gehen. Und dann kam es: (irgendwie hatte ich schon den ganzen Tag auf den Haken an dieser Sache gewartet) : er fragte uns, ob wir ihm eine Schuhbox kaufen könnten, denn dann könnte er wieder arbeiten gehen und könnte für seine Familie und seine Kinder sorgen. Jamie und ich schauten uns kurz an. . . Sunny war ein sehr freundlicher junger Mann und wir wollten ihm und seiner Familie gerne ein wenig helfen, aber eine Schuhbox? Das war wohl ein bisschen zu viel. Wir entschieden uns dafür, erstmal zu schauen, wieviel so eine Schuhbox eigentlich kostet (in einem Land in dem eine Tasse Tee zwischen 10 und 50 Cent kostet) … Sunny konnte es uns nicht sagen, aber er hatte gleich eine Lösung parat :”Nicht weit von hier verkauft ein Inder eine Schuhbox. . . Wir können da kurz hingucken und fragen. Und wenn ihr mir heute eine Schuhbox kaufen könntet, dann wäre meine Zukunft und die meiner Kinder gesichert! ” Da es schon dunkel wurde und nun auch stark regnete, blieb ich mit der Frau und den Kindern im Haus während Jamie und Sunny zu dem Inder gingen. Als Jamie zurück kam, berichtete er mir , dass die Schuhbox umgerechnet 400 Euro kosten sollte. .. Das war absolut zu viel!!! Wir sagten Sunny wir müssten erst einmal eine Nacht darüber schlafen und würden uns dann mit ihm in Kontakt setzen, wie wir ihm helfen wollen und können… Er versuchte uns dann noch einmal dazu zu überreden nur die Schuhbox ohne den ganzen Inhalt (Reparatur – und Putzwerkzeuge) noch heute zu kaufen, denn dann könne er morgen schon gleich anfangen zu arbeiten, auch seine Frau bat uns immer wieder um die schuhbox . Da wir nicht mehr als umgerechnet 15 Euro in der Tasche hatten, sagten wir ihm, dass das nicht ginge und wir erst überlegen und dann wieder mit ihm in Kontakt treten würden. … Wir schrieben uns seine Telefonnummer auf. Die Enttäuschung stand ihm und seiner Frau förmlich ins Gesicht geschrieben.. . Die Stimmung war dann deutlich gedrückt. Es war bereits 8 Uhr und schon dunkel. Da es noch regnete, bot er uns an noch zu bleiben und die Nacht dort zu verbringen, wir lehnten dankend ab. Bevor er uns dann zum Taxi zurück brachte, ging Sunny noch einmal ums Haus, um mit 2 kumpels zu reden, erst dann wurde mir etwas komisch zumute. .. ich glaube auf dem weg zum taxi verfolgte uns einer der beiden jungen Männer, ich hatte den Regenschirm angriffsbereit in der Hand, jamie sein Taschenmesser in der Hosentasche. Wir kauften Sunny auf dem weg zum taxi noch Essen im Wert von 10 Euro, sodass wir noch genügend Geld für das Taxi zurück hatten, dann verabschiedeten wir uns von Sunny und bedankten uns für den netten tag (Messer und Regenschirm brauchten wir zum Glück nicht!). Wir hatten ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Zurück im Hostel gab Jamie gleich erst einmal “Betrug Kathmandu” in das allwissende Google Portal ein und sofort kamen Einträge über Betrüger, die einem eine Schuhbox andrehen wollen und das Geld dann mit dem Schuhbox-Verkäufer teilen. .. Und wir fanden sogar einen Urlauber-Bericht, in dem von einem Sunny die Rede war… Der Bericht ähnelte unserem erlebten Tag und dem, was Sunny uns erzählte fast haargenau. .. Wir guckten uns an und fingen beide an zu lachen. Sunny war ein Betrüger, das war nun also klar, aber wir konnten ihm nicht böse sein. Wenn man so lebt wie er und seine Familie, keine Unterstützung vom nepalesischen Staat bekommt und für Schulbildung bezahlen muss, obwohl man eigentlich nichts selbst besitzt, dann muss man wohl irgendwie erfinderisch werden .. . Sunny hatte sein Herz am richtigen Fleck, auch wenn er uns reinlegen wollte. Kurzzeitig fragten wir uns, ob wir zu naiv waren. Vielleicht, aber dennoch sollte man nicht übervorsichtig durch diese Welt gehen, sondern auch immer an das Gute im Menschen glauben. Darüber hinaus hatten wir einen wirklich guten und interessanten Tag und haben viel fürs Leben gelernt ! !!
Zerstörte klosteranlage in Kathmandu und kleine Einblicke in die Kunstschule, die wir sonst wohl nicht bekommen hätten
Sunny neben einem Riesen-Mantra und seine Frau beim Zubereiten des Dhal bat
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